Migrations-Hintergrund: Mein Problem



Politisch korrekter Rassismus und Selbstbetrug nerven. Vor allem, wenn derartige Neusprech-Sprachmuster unser Denken beeinflussen.

Ich, mit Migrations-Hintergrund

Ich bin ein Mensch mit Migrations-Hintergrund. Ich bin ein Schleswig-Holsteiner mit bayerischem Migrations-Hintergrund und, sitze ich in der Arbeit, bin ich ein Hamburger mit doppeltem Migrations-Hintergrund, nämlich schleswig-holsteinisch & bayerisch. Das erscheint Dir grotesk? Mir auch. Ich hab das letztens erzählt und erntete Kommentare wie "Blödsinn", "Du bist doch Deutscher" und so weiter.

Wie meinen? OK, dann bin ich eben Deutscher ohne Migrations-Hintergrund. Im Urlaub dann aber temporärer Grieche mit deutschem Migrations-Hintergrund - oder was? Sorry, aber das hebt das Prinzip nur auf eine größere, überregionale Ebene. Danke, aber nein danke.

Ich halte es da eher mit Faust und sage:

"Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein" Goethe, Faust I, Osterspaziergang

Was ist Migrations-Hintergrund denn eigentlich?

Man spricht von Menschen mit Migrations-Hintergrund, um den Begriff Ausländer zu vermeiden, weil es ja oft um deutsche Staatsbürger geht. Es geht also um Deutsche. Nicht um Bayern, nicht um Türken, nicht um Hamburger, nicht um... ach was weiß ich. Nicht vergessen, immer geht es vor allem um Menschen.

Dabei wird der Begriff Migrations-Hintergrund, zumindest in der Alltagssprache, vor allem für Menschen benutzt, die sich optisch (und vielleicht sprachlich) von uns unterscheiden. Denn die meisten Menschen wollen ja politisch korrekt sein, wenn sie von den Ausländern sprechen.

Das Postulat, nein, die Diktatur der politisch korrekten Sprache führt dann auch dazu, dass wir uns weniger mit dem Wesen einer Sache befassen, als mit ihren Kleidern. Also den Worten, die genutzt werden dürfen, um über etwas zu sprechen, als zu hinterfragen, ob das alles Sinn hat.

Update: Exkurs politische korrekt

Ich möchte hier eindeutig und absolut klarstellen, dass ich trotz Kritik am Begriff politischer Korrektheit nichts mit Menschen gemein habe, die im rechten Gedankenspektrum ebenfalls Kritik am Begriff politischer korrektheit üben, um unter diesem Deckmantel ihre menschenverachtenden Ideen zu platzieren.

Mir geht es ja gerade um das Gegenteil, ich versuche zu zeigen, wie politische Korrektheit menschenverachtend werden kann, wenn man unter ihr den Menschen aus den Augen verlieren kann.

Update Ende

Denn mal ganz ehrlich: Wer würden den österreichischen Staatsbürger, der in München arbeitet als Person mit Migrations-Hintergrund bezeichnen? Rein formal wäre dies nämlich zutreffend. Aber tatsächlich sprechen wir über den türkischen Dönermann, den persischen Koch, den... ach komm, ich lass die Stereotypen lieber in der Tasche.

Nein, wir subsumieren all jene Menschen, die uns optisch und auditiv fremd sind unter diesem Begriff, fühlen uns dabei sogar noch gut, denn wir benutzen ja die richtigen Worte. Nicht die falschen Worte, nicht Ausländer, oder schlimmeres. Wir grenzen nicht aus, denn politisch korrekt sind wir ja allle für die Integration dieser Personen mit Migrations-Hintergrund.

Und doch klassifizieren wir, ziehen geistige Grenzen und unterscheiden zwischen uns und dem Anderen (politisch-emanzipatorisch korrekt abgeleitet von das Andere, nicht der Andere). Wir sehen uns und unser Gegenüber nämlich gerade nicht als Mensch und nur als Mensch (und somit gleich viel wert).

Politisch korrekter Alltagsrassismus

Wir verschleiern mit unserer politisch korrekten Sprache einen Alltagsrassismus, der mich erschreckt. Wir sehen nicht zuerst das Gleiche, um von dort aus nach den vorhandenen, spannenden und interessanten Unterschieden in Biographie und Kultur oder auch Denkweisen zu fragen. Wir kommen nicht aus einem Zustand der Integration (weil Gemeinsamkeit), wir kommen aus einem Blickwinkel der Abgrenzung, weil Unterscheidung. Wir sehen zuerst das Trennende, nicht das Verbindende.

Nein, ihr lieben politisch Korrekten Wortverdreher:
Ihr seid nicht besser, ihr seid flacher, oberflächlicher. Ihr seht eine weiße Wand, aber nicht den Stein darin. Vergesst vor lauter Wortgeschöpfe, weil Ihr die Worte nicht hinterfragt, die Ihr schaft, was wirklich zählt: Der Mensch. Ihr erkennt nicht einmal die Lables, die Ihr den Menschen überstülpt, mit denen ihr sie klassifiziert, kategorisiert, verwaltbar macht und schließlich entmenschlicht. Ihr reduziert sie auf wenige, bürokratische Merkmale, um Euch gerade nicht mit dem Menschen dahinter zu befassen.

Ihr seht nicht koffeinhaltiges Kaltgetränk, Ihr seht Pepsi oder Coca Cola oder Fritz Kola. Und dann könnt ihr im stillen, geistigen Hinterzimmer die Frage beantworten, was Euch besser schmeckt. Das ist Rassismus. Das ist Menschenverachtung.

Und ehrlich gesagt, in meinen Augen seid Ihr, mit Eurer unreflektierten Benutzung der politischen Neusprech-Begriffe und Eurem Selbstbetrug verachtenswerter als jeder rassistische Mensch, der seine Meinung gerade heraus in die Welt brüllt. Denn solch ein Rassist(en-Schwein) ist immerhin ehrlich. So ein Rassist betrügt sich wenigstens nicht selbst. Zumindest nicht auf Eure Art.

Und nein, das war kein Kompliment für derartige Menschen, das war ein Spiegel für Euch. Ihr seid anders, aber nicht "sauberer".