Dein Job eine Skinnerbox?
Sag mal - wie steht's bei Dir mit Beförderung und Gehaltserhöhung? Ja, ich weiß, über Geld spricht man nicht. Ist unhöflich und so. Wirkt schnell komisch. Oder?
Über Geld spricht man nicht!
Wieso eigentlich? Wieso sprechen wir in unseren Jobs nicht untereinander auch darüber, wie viel Gehalt wir bekommen?
Vielleicht, weil echt viele Arbeitsverträge uns genau das verbieten? Verbietet Dir Dein Vertrag das auch? Dann hier der kleine Servicehinweis, dass die entsprechende Klausel unwirksam ist. Und zwar schon seit 2009.
Mein Arbeitgeber hat mir dieses Verbot noch 2014 in den Vertrag geschrieben. Da weiß man direkt, wodran man ist, oder?
Und selbst, wenn das nicht im Vertrag steht. Wieso sprechen wir nicht offen darüber, wie viel Geld wir am Ende des Monats nach Hause tragen?
Das ist nur eine der Fragen, auf die ich keine Antwort habe.
Die eigentliche Frage dieses Beitrags ist jedoch eine andere. Die Frage, ob Du in Deinem Job mitten in einer Skinnerbox sitzt. Oder doch eher in einer Lootbox.
Skinnerbox: Erklärung & Funktion
Wie funktioniert eigentlich eine Skinnerbox? Stell Dir eine Box oder einen Käfig vor. Darin gibt es einen Lautsprecher, einen Schalter und eine Öffnung über dem Futternapf.
In die Box setzt Du ein Tier, beispielsweise eine Ratte. Wenn nun ein Geräusch ertönt und die Ratte daraufhin den Hebel drückt kommt ein Stück Futter aus der Öffnung.
Die Ratte lernt schnell den Schalter zu drücken, sobald das Geräusch ertönt. Durch die konsistente Belohnung wird das Lernen effektiv unterstützt.
Soweit zur klassischen Skinnerbox.
Du könntest Dich jetzt natürlich fragen, was eine klassische Skinnerbox mit Deinem Job zu tun hat. Immerhin dürftest Du keine Ratte im Käfig sein.
Andererseits gibt es ja in unserem beruflichen Umfeld immer wieder Reize, die eine Reaktion bei uns auslösen. Und wenn wir daraufhin eine Belohnung (beispielsweise ein Lob) erhalten, dann…
Naja, so weit weg von einer Skinnerbox sind manche Jobmomente in meinen Augen dann doch nicht.
Skinnerbox zwei-punkt-null: Die Lootbox
Es gibt noch eine zweite Variante. Sozusagen eine Skinnerbox auf Speed.
Du kennst das vielleicht als “Einarmiger Bandit”. Oder aus Computerspielen als sogenannte Lootbox.
Nebenbei gibt es übrigens die ersten Länder, die sowas in Spielen verbieten, weil es die Menschen massiv süchtig macht. Vor allem Kinder und Jugendliche. Aber das nur am Rande.
Der Unterschied zur regulären Skinnerbox ist, dass die Belohnung nicht jedes Mal erfolgt. Sondern nur zufällig. Mal ja, mal nein. Ohne vorhersagbares Muster. So ein bisschen wie die Frage, ob Du neue Nachrichten, Kommentare oder Likes auf Insta, Facebook, TikTok und Co hast - oder eben nicht. Auch das folgt genau dem gleichen Prinzip.
Der Effekt ist bezeichnend. Und war für die Forscher ursprünglich überraschend stark. Denn was passiert ist, dass die Dopaminausschüttung im Hirn, wenn es eine Belohnung gibt (oder eben ein Like, einen kleinen Schatz “Loot” im Spiel, etc.), unglaublich viel größer ist, als wenn die Belohnung jedes Mal erfolgt. Wir lernen ungemein schnell, dass wir diesen Glücksmoment unbedingt wieder haben wollen. Und tun (fast) alles dafür, wenn wir nicht sehr aktiv und mit mentaler Anstrengung, dagegen arbeiten.
Das heißt, wir trainieren uns mit Hilfe entsprechender Anreizsysteme (eben mithilfe einer so gestalteten Skinnerbox) ganz schnell dazu, das gewünschte Verhalten überproportional zu zeigen um die Chance zu haben ab und zu eine Belohnung zu bekommen.
Und nun schau Dich mal in Deinem Job um. Wie läuft das da? Bekommst Du da jedes Mal ein Lob, wenn Du was gut machst? Oder nur ab und zu?
Vermutlich nur ab und zu - und das ist ja auch nur menschlich.
Und wie läuft das bei Dir mit Beförderungen? Mit Gehaltserhöhungen?
Wenn Du immer Vollgas gibst, bekommst Du dann auch immer ein großes Stück vom Kuchen? Oder mal mehr, mal weniger, mal eine Beförderung, mal nicht?
So zumindest läuft es in den meisten Unternehmen ab, die ich kennengelernt habe und die ich aus Erzählungen von Freunden und Familie kenne. Natürlich muss man schon was machen um weiter zu kommen, aber die tatsächliche Anerkennung für die geleistete Arbeit, die ist doch eher zufällig und nicht vorhersagbar.
Mich zumindest erinnert das an eine Skinnerbox 2.0. Und ich bin davon überzeugt, dass das kein Zufall ist. Vielleicht gestalten viele Unternehmen ihre Anreizsysteme nicht bewusst als einarmigen Banditen, aber ich denke, dass die meisten Unternehmen das machen, was funktioniert und nicht hinterfragen, welches Menschenbild sie damit transportieren. Das Bild, dass wir Mitarbeiter nichts weiter sind als Zockerzombies in Las Vegas, die man um ihr Geld erleichtern kann (also in unserem Fall um unsere Arbeitskraft, Motivation und unsere Leidenschaft).
Unsere Psyche, von der Evolution darauf trainiert Einsatz zu zeigen für zufällige Dopaminkicks (was evolutionär für das überleben der Spezies auch brutal sinnvoll war) wird im modernen, kapitalistischen Arbeitsleben hart gegen uns genutzt. Wir dürfen uns für Bullshit-”Loots” (Belohnungen/Schätze) aufreiben.
Postskriptum
Viel Spaß Du kleine Ratte in Deiner Skinnerbox. Hab Spaß mit Deinem Futter. Und das meine ich wirklich völlig wertfrei.
Ich für mich ganz persönlich mache aktuell lieber ganz leise die Tür zu und ignoriere Triggergeräusch und Hebel. Mache das wofür ich auch bezahlt werde. Ganz unternehmerisch und neudeutsch “transaktional”. Oder noch neudeutscher: Quiet Quitting*.
Denn mir hat ein Geschäftsführer mal vorgeworfen ich würde nicht unternehmerisch genug denken. Also ich dann darauf hingewiesen habe, dass ich gern für meine 10 - 15% Mehrarbeit auch 10 - 15% mehr Geld haben würde - also ganz transaktional - wurde er pampig.
Noch eine Anmerkung dazu:
Du musst mal schauen, wie sehr das verteufelt wird, wenn man das macht, wofür man bezahlt wird. Und mit welchen Argumenten versucht wird den Arbeitnehmern ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn sie Grenzen setzen und sich nicht ausbeuten lassen. Da wird dann gern davon gesprochen, dass das ja unmotiviert sei und dass man sich damit selbst schaden würde, weil man sich damit mental krank mache.
Es sei also krank(machend), wenn man sich selbst vor Ausbeutung schützt. Das muss man auch erstmal argumentativ hinbekommen, den Selbstschutz als Gefahr für uns selbst und als krank zu definieren. Kudos ihr Arbeitgeberapologeten (oder wie ich Euch nennen würde: Ihr Arschlöcher!).