Benzin im Bauch - Diesel im Brot



Hmm, lecker so ein Schluck Diesel: Vor allem, weil auf der Verpackung Snickers steht. Oder Salat, oder Shrimps, Scholle. Gerne auch Vollkornbrot. Es ist fast egal, was wir essen - immer nehmen wir, mal mehr, mal weniger Benzin zu uns.

Wie, wir essen Benzin? Nein, nicht direkt. Aber doch sehr konkret. Denn um 1 Kalorie Nahrung zu produzieren braucht die westliche Welt etwa 10 Kalorien an fossilen Brennstoffen. Und ob wir die nun in Ergas, Erdöl oder Benzin umrechnen, spielt keine große Rolle.

Ursprünglich war es mal ganz einfach. Die Nahrung, die wir Menschen zu uns nahmen, war nichts anderes, als umgewandelte Sonnenenergie. Egal ob Pflanzen (Photosysnthese) oder Tiere (Pflanzenfresser) - die Grundlage (fast) allen Wachstums ist das Licht der Sonne. Und einige Nährstoffe aus dem Boden.

Nimmt man nun die Menge an Sonnenenergie und die Fläche, auf der Ackerbau und Viehzucht möglich sind, hat man ein gutes Maß an maximaler Nahrungsmittelmenge, die “natürlich” erzeugt werden kann. Dies kann man vielleicht noch mit “besseren” Sorten (also Züchtung) steigern, oder mit natürlichen Düngerpflanzen/Dung/Guano. Aber im Großen und Ganzen ließe sich ein Limit berechnen, wie viele Menschen die Sonne auf der Erde ernähren kann.

Jahrhundertelang, haben Menschen genau davon gelebt. Auch die großen Kolonisations-Bewegungen der frühen Neuzeit lassen sich auf den Wunsch zurückführen, mehr Land für Agraranbau zu erhalten. OK: Bodenschätze, Gold, Silber, Sklavenhandel... all dies spielte eine deutlich vordergründigere Rolle. Aber danach kamen die Siedler. Die Bauern. Und die Lebensmitteltransporte nach Europa (und später in die USA).

Was ist nun also das Problem, wenn uns die Sonne ernährt?

Ganz einfach: Sie tut es nicht mehr. Zumindest nicht mehr ausreichend und nicht direkt. Natürlich sind auch fossile Brennstoffe im Grunde nichts anderes als gespeicherte Sonnenenergie. Da ist die Erde wie eine Batterie, in der in Form von Gas, öl und Kohle die Energie der Sonne gespeichert ist.

Das ist sozusagen wie bei einem guten Wein, der lange im Weinkeller lag. Der ist auch lecker und was ganz besonderes. Vor allem aber ist er limitiert. Es gibt nur eine bestimmte Menge davon.

Und so ist es auch mit den fossilen Brennstoffen. Und dabei spielt es keine Rolle, auf welcher Seite der Frontlinie man sich befindet. Ob man nun daran glaubt, dass wir den Höhepunkt der Förderung schon überschritten haben, oder noch vor uns haben. Das sind Glaubensfragen und alle noch so trickreichen Computermodelle können nur mit einer unzähligen Menge an Variablen spielen.

Nur leider ändert das eben nichts an der Tatsache, dass die Ressourcen begrenzt sind. Egal, ob in 50 oder in 500 Jahren. Irgendwann sind öl, Gas und Kohle einfach alle.

OK, das Problem sehe ich dabei immer noch nicht.

Nur ruhig junger Padawan. Dazu komme ich doch gerade. Um unseren unendlichen Hunger zu stillen - oder sollte ich sagen unsere Mülleimer zu füllen - muss die Landwirtschaft deutlich mehr produzieren, als die Sonne allein ermöglichen würde. Sie muss die Erntemenge steigern (oder in den Industriestaaten auf dem gleichen Niveau halten).

Nur leider können unsere Landwirte und die Lebensmittelindustrie ja schlecht mal eben eine zweite Sonne anknipsen - doch ihre Rettung existiert schon seit geraumer Zeit:

Kunstdünger. Kunstdünger und die industrielle Produktion von Nahrungsmitteln.

Kunstdünger ist eigentlich auch nichts anderes, als umgewandelte fossile Energieträger. (OK, ich weiß, nicht völlig korrekt.) Aber mal umgerechnet: Die Produktion von einem Kilogramm Stickstoff für Kunstdünger entspricht dem Energieäquivalent von 1,4 bis 1,8 Litern Diesel.

Stickstoff ist einer der Motoren des Pflanzenwachstums.  Neben Phosphor, Kalium und Magnesium.

Doch damit ist es noch nicht getan. Heutzutage werden in der Landwirtschaft vor allem moderne Sorten angebaut. Sorten, bei denen uns erklärt wird, dass sie deutlich höhere Erträge erzielen. Das stimmt auch. Doch zugleich sind viele dieser Neuzüchtungen deutlich anfälliger gegen Krankheiten, als die recht resistenten Ursorten.

Das heißt, gegen Schädlinge werden Pestizide gespritzt. Gegen Pilze kommen Fungizide zum Einsatz. Unkräuter werden mit Herbiziden bekämpft. Natürlich gibt es, zum Schutz der Verbraucher, dabei für jeden Wirkstoff Obergrenzen, damit uns die Giftstoffe nicht schaden.

Einen Höchstwert für die Gesamtkonzentration aller Giftstoffe gibt es übrigens (soweit ich weiß) nicht.

Wichtig ist jedoch, neben den gesundheitlichen Aspekten, dass die Produktion dieser Giftstoffe enorme Mengen an Energie und fossiler Rohstoffe verschlingt.

Negative Energieausbeute

Und da haben wir unser Problem: Umgerechnet benötigt die industrialisierte Nahrungsmittelerzeugung 10 Kalorien fossiler Energie um 1 Kalorie Nahrung zu produzieren.

Und da sind Verpackung, Transport in die Supermärkte, Kühlung oder Zubereitung zu Hause noch nicht mit eingerechnet.

Das heißt beispielsweise, dass für vier Marsriegel umgerechnet rund das Energieäquivalent von einem Liter Diesel verbraucht wird.

Auf vielen Lebensmitteln wird uns eine tägliche Verzehrmenge von 2.000 Kilokalorien empfohlen. Das entspräche also 2,5 Litern Diesel, die dafür in der Produktion an Energie verbraucht wurden. Wie gesagt, es geht immer um das Energieäquivalent. Ich hätte auch in Erdöl, oder Erdgas umrechnen können. Ich fand Benzin nur etwas griffiger.

Noch ein paar kritische Anmerkungen

Wir könnten mit den heute produzierten Lebensmitteln beispielsweise die Menschheit mehr als satt bekommen. Doch ein relevanter Teil der angebauten Lebensmittel landet in Tanks als Biosprit.

Auch hier ist schon die 10-fache Menge in fossiler Energie bei der Erzeugung angefallen. Das heißt, würden wir diese fossile Energie direkt ins die Tanks unserer Fahrzeuge pumpen, kämen wir 10-mal so weit.

E10 ist also umweltfreundlich?

Oder die oben angesprochenen Hybridsorten. Diese zwingen die Landwirte dazu, jedes Jahr erneut Saatgut von den Herstellern einzukaufen. Denn sie sind nicht “samenfest”. Früher konnten die Bauern aus jeder Ernte einen Teil als Saatgut fürs kommende Jahr zurückbehalten. Man versorgte sich sozusagen selbst. Heute, mit den politisch gewollten Regelungen, versorgen wir eine Industrie der Samenproduzenten.

In Frankreich ist es beispielsweise (noch) verboten alte Sorten (die nicht auf den Sortenlisten von EU oder Frankreich stehen) auch nur zu verschenken. Ich darf dort also gar nicht mein eigenes, traditionelles Obst Gemüse anbauen. Im Vergleich zu mehreren tausend Apfelsorten um 1900 werden heute in Frankreich noch fünf Sorten gehandelt.

Hierzu passiert gerade spannendes vor dem Europäischen Gerichtshof.

Neuzüchtungen werden uns als ertragreicher, verbraucherfreundlicher oder was auch immer “verkauft”. Egal, ob konventionell gezüchtet, oder gentechnisch verändert. Oftmals brauchen sie aber einen deutlich höheren Pflegeaufwand. Was ist nun besser? 10% mehr Ertrag bei gesteigertem Giftstoffverbrauch?

Fraglich bleibt auch, wie in sich den kommenden Jahrzehnten die Klimaerwärmung auf die weltweiten Ernten auswirken wird. Wohin verschieben sich Anbauregionen, wo verschwinden sie? Was passiert, wenn die dadurch erzeugten Einbußen in Anbaufläche mit knapper werdenden fossilen Rohstoffen einhergehen?

Und? Habe ich eine Lösung?

Nein, eine Lösung habe ich auch nicht. Das erwarte ich aber auch gar nicht. Wir reden hier von einem extrem komplexen Problem. Egal ob Düngemittelproduktion, Produktion von Hybrid-Saatgut, dass die Bauern jedes Jahr nachkaufen müssen, Transport unserer Lebensmittel um die halbe Welt. Oder umweltschädliche, lokale Produktionsmethoden, und so weiter und so fort.

Egal, wo ich versuche diesen gordischen Knoten aufzuschnüren, ich renne gegen eine Wand. Und genau hier sehe ich das Problem mit den meisten unserer Politiker. Sie versuchen noch nicht einmal das Problemfeld zu verstehen. Sie haben eine Ideologie (Grün vs Industrie, etc.) und vergessen dabei den Tellerrand, über den sie gerne mal schauen könnten.

Was ist mit der Frage nach dem Recht am eigenen Essen? Was mit Fragen danach, wem das genetische Erbe der Welt gehört? Besitzen wir unsere Nahrung - oder “besitzen” uns einige Konzerne durch unsere Nahrung?

Andererseits, würden wir die industrielle Lebensmittelproduktion nicht so betreiben, könnten wir auch keine 11 Milliarden Menschen ernähren. Dann würde die Welt vermutlich auch die heutigen sieben Milliarden Menschen nicht versorgen können.

Und genau das kann uns blühen, wenn die fossilen Energieträger (benötigt zur Düngererzeugung) langsam zur Neige gehen.

Ich beschäftige mich nun schon einige Wochen mit diesen Fragen und versuche Stück für Stück antworten zu finden. Doch dazu muss ich erst einmal das Problemfeld verstehen lernen. Ich denke, dass in den kommenden Wochen und Monaten hier weitere Beiträge folgen werden.