Eine Stimme im Wind: Erschöpft für eine bessere Welt



Manchmal frage ich mich, ob es Sinn macht, weiter zu kämpfen. Die Müdigkeit hat sich wie ein schwerer Mantel über meine Schultern gelegt.

Müde vom Kampf gegen rechts, vom ständigen Aufstehen für die Demokratie. Müde vom Anschreiben gegen Fake News und himmelschreiende Dummheit. Müde vom Eintreten für soziale Gerechtigkeit und für eine lebenswerte Zukunft für Kinder, die ich selbst nicht habe, und für die ich mich dennoch unermüdlich einsetze.

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Was sagt es über unsere Gesellschaft aus, wenn in vielen Regionen fast 40% der Menschen eine Partei wählen, die nicht nur in Teilen als rechtsextrem eingestuft wird? Die Verharmlosung empfinde ich als unerträglich – ein Glas Wasser mit einem Tropfen Kloake ist schließlich auch nicht "in Teilen" ungenießbar. Es ist vollständig kontaminiert.

Die Erschöpfung kommt nicht nur vom Kämpfen selbst, sondern vom Gefühl der Ausweglosigkeit. Ich will weg, doch wohin? Es gibt keinen Ort, an dem diese Probleme nicht existieren, keine Zuflucht vor einer Welt, die zunehmend polarisiert und radikalisiert erscheint. Hier will ich nicht mehr sein, fühle mich nicht mehr als Teil dieser Gesellschaft, in der erschreckend viele Menschen bereitwillig einem neuen von Papen zujubeln und sich wohl insgeheim schon auf eine neue Weidel und einen neuen Höcke an der Macht freuen.

Die historischen Parallelen sind so offensichtlich, dass es schmerzt. Haben wir wirklich nichts aus der Vergangenheit gelernt? Oder waren die Lehren nur oberflächlich, bequeme Lippenbekenntnisse ohne wirkliches Verständnis für die Mechanismen, die zum Aufstieg des Faschismus führten?

Wenn ich könnte, würde ich meinen Pass abgeben, meine Staatsbürgerschaft an den Nagel hängen. Aber das wäre letztlich nur eine symbolische Geste, die nichts an den tatsächlichen Problemen ändert. Die Wurzeln des Rechtsextremismus, der sozialen Ungerechtigkeit und der Klimakrise würden weiterhin bestehen, unabhängig davon, wo ich lebe oder welchen Pass ich trage.

Und so stehe ich an einem Kreuzweg – erschöpft vom Kampf, aber nicht bereit, aufzugeben. Denn trotz aller Müdigkeit brennt in mir noch immer die Überzeugung, dass es richtig ist, für Demokratie, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit einzustehen. Vielleicht liegt die Antwort nicht im Weggehen, sondern im Finden gleichgesinnter Menschen, im Bilden von Widerstandsinseln gegen die braune Flut, im Bewahren der Hoffnung, dass diese dunkle Phase überwunden werden kann.

Die Geschichte ist nicht linear, sie verläuft in Wellen. Nach dem Rückschritt kann der Fortschritt kommen. Aber nur, wenn wir – trotz aller Müdigkeit – nicht aufhören zu kämpfen.