Heuchler im Datenschutz-Theater



Spieglein, Spieglein an der Wand, wer trägt ein Datenschutz-Heuchlergewand? Spieglein, Spieglein an der Wand, wer spricht falsch Zeugnis im Datenschutz-Land?

OK, Reim Dir, oder ich fress Dir.

Ja, man kann sich darüber streiten, was im Internet als "persönliche Daten" gelten sollte. Die IP-Adresse, sicherlich nicht. Bestimmte “Cookies” können da schon bedenklicher sein, wenn beispielsweise Facebook weiß, auf welchen Seiten ich so surfe.

Wieso und woher Facebook das weiß - dazu mehr im folgenden Beitrag.

Ich will hier gewisse Praktiken im Netz nicht verdammen. Für die Erhebung statistischer Daten gibt es gute Gründe - und taugliche Methoden. So müssen Daten nicht in die USA übertragen werden. So kann die Auswertung (bis auf wenige Ausnahmen) auf eigenen Servern erfolgen. So muss man gewisse Infos der Nutzer nicht unbedingt an Facebook und Co. weitergeben.

Vor allem, sollte man sich nicht als Datenschutz-Vertreter aufspielen, wenn man seinen Worten keine Taten folgen lässt.

SPIEGEL Online prangert gerne und oft den Datenhunger der Netzunternehmen an. Und dagegen ist auch überhaupt nichts einzuwenden. Abgesehen vielleicht davon, dass (gefühlt) die wenigsten Journalisten eine Ahnung davon haben, wie die entsprechenden Technologien funktionieren, was geht und was nicht. So werden gerne auch mal irrationale ängste der Leserschaft bedient.

Der (von mir so wahrgenommene) mangelhafte Umgang der Journalisten mit diesem Thema ist jedoch nicht der eigentliche Grund für diesen Beitrag.

Was mich wirklich aufregt ist die Tatsache, dass (unter anderem) "SPIEGEL Online" zeitgleich ein großer Datenlieferant für Facebook, Google, Twitter und unzählige Werbenetzwerke ist.

Es ist so, als würde man gegen übergewicht schreiben und den Lesern einen Whopper nach dem anderen reinzwängen.

"Das Internet verheißt paradiesische Zustände für staatliche und kommer­zielle Datensammler, für die Suche nach Verbrechern ebenso wie für die Jagd auf Kunden. Die Netz­bürger stehen unter Beobachtung - und verwandeln sich zunehmend in maschinenlesbare Wesen. Ist die Privatsphäre trotzdem noch zu retten?" SPIEGEL Online

An wen übermittelt "Spiegel Online" nun eigentlich Daten (Auswertung am 02.04.2012)?

Das heißt: Der Besucher der Internetseite bekommt Werbung angezeigt, diese Werbung erfolgt zielgerichtet, anhand des Verhaltens des Nutzers.

Sozusagen ein Google Analytics, bei dem die Daten nicht von Google, sondern von einem anderen US-Unternehmen ausgewertet werden.

Analog zu Charbeat (s.o.) - auch hier stehen alle Daten natürlich auch dem Suchmaschinen-Konzern zur Verfügung. Google weiß also, auf welchen Seiten Du Dich wie lange aufhältst oder was Dich so interessiert. Bei AdSense spiel Google auf den Seiten von "Spiegel Online" Werbung aus. Damit weiß Google und die Werbetreibenden sehr viel über die Seiten, auf denen die Werbung eingebunden ist.

Du bist beispielsweise bei Facebook, dann hat Facebook auch einen sogenannten Cookie auf Deinem Rechner abgelegt. Diesen Cookie kann das Netzwerk aufrufen, wenn Du bei "SPIEGEL Online" vorbeisurfst. Damit weiß Facebook zum Beispiel, dass ich heute einen Artikel zur Spritpreis-Debatte bei Jauch angeklickt habe. Gleiches gilt für Twitter und Co.

Ja, aber wo liegt das Problem?

Ich kann verstehen, dass kommerzielle Angebote im Netz einen Weg brauchen, um ihren Erfolg auch gegenüber den Werbetreibenden zu vermitteln. Früher waren das Auflagenzahlen, mit denen man als Verlag die Preise für Werbung gerechtfertigt hat. Heute sind es Klickzahlen, Klicks auf die Werbung, etc - um die Preise für Werbung im Internet zu rechtfertigen.

Dazu muss man wissen, wie viele User eine Seite hat und wie viele Klicks diese User tätigen. Man will vielleicht auch noch wissen, woher die Nutzer so kommen (also von Google über eine Suche, von Facebook über einen geteilten Link, von Twitter, und so weiter).

Zu wissen, woher ich auf eine Seite gekommen bin ist kein Problem, dass sagt mein Browser der Internetseite beim ersten Aufruf. Und zwar immer genau die letzte zuvor im Browser geöffnete Seite.

Für die Designer solcher Seiten ist es vielleicht auch noch spannend zu wissen, welche Bildschirmauflösungen verwendet werden, oder welche Broswer, oder Betriebssysteme, oder, oder, oder...

All das ist noch gar kein großes Problem. Die Daten liegen anonymisiert vor, dass heißt, Du gehst in einer statistischen Masse unter.

Problematischer ist es, wenn Facebook, Twitter und Co. wissen, welche Seiten ich besuche. Ich bin dort mit meinem echten Namen registriert. Ich bekomme von Facebook personalisierte Werbung ausgespielt. Facebook ist bekannt dafür, dass es zumindest früher Daten von Nutzern weitergegeben hat. Und, dass der Unternehmensgründer die (gesperrten) Profile von Nutzern gestalked hat.

Vertraue ich einem Unternehmen wie Facebook, wenn ich Artikel über Burnout, Depression, Arbeitsrecht, oder sonstiges lese? Vertraue ich Google, das die Daten aus all seinen Diensten (Google Analytics, AdSense, Google Suche, Google Maps, YouTube, etc) verknüpft um präzisere Nutzerprofile erstellen zu können?

Will ich, dass diese Unternehmen wirklich wissen, was ich so alles im Netz treibe? Die Plugins von Facebook (die diese Daten heimfunken) sind auf (gefühlt) fast allen Seiten eingebunden. Auch Google (Werbung oder Analytics) ist auf eigentlich allen größeren (und kleineren) Seiten vertreten. Auch Twitter ist inzwischen weit verbreitet. Und es gibt noch einige, unbekanntere Dienstleister, die mir mehr über meine Nutzer verraten.

Das heißt, ich entkomme dieser Datensammlung nicht. Und das ist ok so, solange ich nicht eindeutig identifizierbar bin. Und wenn jemand auch damit kein Problem hat - find ich das vollkommen in Ordnung. Jeder sollte nur Bescheid wissen und selbst entscheiden können, was mit seinen Daten passiert.

"Jeder weiß, dass es viel schwieriger ist, Worte in Taten zu verwandeln, denn Taten in Worte." Maxim Gorki

Ich wünsche mir nur, dass ein "journalistisches Angebot" wie SPIEGEL Online sich nicht einerseits als Anwalt des Datenschutzes aufzuspielen und andererseits mit dem großen Suppenlöffel den Datenhunger einige Netzunternehmen sättigt.

Was kann ich tun um meine Daten zu schützen?

Ich hatte oben geschrieben, dass Facebook beispielsweise von mir weiß, welche Artikel ich heute so gelesen habe. Gut, zugegeben, Facebook weiß genau das nicht von mir. Nicht, weil "SPIEGEL Online" diese Daten nicht zwangsläufig weitergeben würde, sondern weil ich durch ein entsprechendes Zusatzprogramm im Browser verhindere, dass diese Infos weitergegeben werden. Und ja, es verhindert eine Datenweitergabe wirklich sehr effektiv.

"Ghostery allows zero-tolerance blocking of anything ad related, complete (visible) open communication with ad companies, or countless measures in between - determined by you, the informed web user." ghostery.com

Auch verhindert ein Werbeblocker, dass so einige Unternehmen erfahren, wo ich mich so im Netz bewege. Denn Werbung auf Internetseiten ermöglicht ein verfolgen der Nutzer.

Zuletzt verhindere ich in meinen Browsereinstellungen, dass Cookies von Drittwebseiten angenommen werden. Damit fällt auch diese Möglichkeit für ein kommerzielles Verfolgen im Netz aus.

Und zuletzt verhindere ich noch sogenannte Flash-Cookies. Diese sind von den Cookie-Einstellungen im Browser nicht betroffen. Hier muss man selbst aktiv werden. Ganz einfach unter diesem Link.

Und was tue ich so?

Ich habe Google Analytics lange Zeit im Blog verwendet. Und habe genau das inzwischen abgeschafft. Ich bin natürlich auch neugierig, was meine Leser so interessiert. Deswegen nutze ich inzwischen die Analyse-Software “Piwik”. Diese läuft auf meinen eigenen Servern, die Auswertung ist stark anonymisiert und eine Weitergabe der Daten an Dritte erfolgt nicht.

Und wer nicht will, dass ich etwas mitbekomme, der kann in der rechten Spalte einsehen, ob er gezählt wird - und verhindern, dass ich ihn in der Analysesoftware sehen kann.

ps.: Das Gesagte trifft übrigens nicht nur auf "SPIEGEL Online" zu. Auch "WELT Online" (deutlich schlimmer) und "BILD.de" sind keinen Deut besser. Noch in Ordnung, was die Datensammlung betrifft, sind "tagesschau.de" und "heute.de".

Sehr Lobenswert ist die FAZ. Hier wird sozusagen nur die "Auflage" gemessen. Es gibt keine Datenweitergabe an Werbenetzwerke, soziale Netzwerke oder andere "Analyse-Dienste".

Ich ziehe meinen Hut.