Wissen im Kopf, Wissen in der Welt
Ich erinnere mich daran, dass mein Onkel früher einen älteren Saab besaß. Einmal, wir waren zu Besuch bei gemeinsamen Verwandten, sollte ich sein Auto umparken. Als Jugendlicher fand ich das natürlich toll.
Wissen im Kopf, nicht in der Welt
Da das Auto auf einem Privatparkplatz stand war das auch kein Problem. Immerhin hatte ich ja noch keinen Führerschein. Ich nahm also den Schlüssel, legte den Vorwärtsgang ein und parkte das Auto um. Soweit, so gut. Motor aus, Schlüssel ziehen und wieder rein - so lautete der Plan.
Nur leider ließ sich der Schlüssel nicht abziehen. Egal was ich tat - der zuckte sich nicht. Keine Chance den Schlüssel aus dem Schloss zu bekommen.
Vermutlich hat sich mein Onkel gewundert, wieso ich so lange brauchte. Jedenfalls ist er kurz darauf selbst raugekommen. Heute würde ich sagen, ich konnte den sprichwörtlichen Facepalm in seinem Gesicht sehen, als er merkte, was mein Problem ist.
"Du musst den Rückwärtsgang einlegen, nur dann geht der Schlüssel raus."
Wer soll sowas denn bitteschön wissen?
Wissen im Kopf, nicht in der Welt
Doch warum erzähle ich diese ollen Kamellen? Ganz einfach - in meinen Augen verdeutlicht diese Anekdote das Problem, wenn Wissen "nicht in der Welt" ist. Wenn wir das Wissen "nur" in unserem Kopf tragen. Vor allem aber, wenn wir davon ausgehen, was nur allzu menschlich ist, dass alle anderen dieses Wissen ebenfalls in ihren Köpfen haben.
Im Fall des Saab hätte man einen Hinweis im Design erwarten sollen, vielleicht ein Schlüsselsymbol am Rückwärtsgang des Schalthebels. Jedenfalls irgend ein Signal, dass es mir ermöglicht hätte die Lösung selbst zu finden - Wissen in der Welt eben.
Insofern - im Bezug auf das Verhältnis von Wissen im Kopf zum Wissen in der Welt - hätte es nichts genützt, hätte mein Onkel mir gesagt, dass der Schlüssel nur im Rückwärtsgang zu ziehen ist. Dann wäre das Wissen zwar auch in meinem Kopf gewesen, aber noch immer nicht in der Welt.
Wissen im Kopf und in der Welt
Wissen im Kopf, das ist unsere Erinnerung, unser Wissen, all das, was wir gelernt haben und abrufen können. Wissen in der Welt ist alles andere. Ich persönlich neige beispielsweise dazu Wissen in der Welt räumlich anzuordnen um mir die Verknüpfung mit dem Wissen im Kopf zu erleichtern. Notizen, Aufgaben, Projektpläne - all sowas wird an bestimmten Stellen, an Wänden hinter meinem Büroschreibtisch oder in bestimmten dedizierten Notizbüchern abgelegt.
So erleichtert mir der Raum die Erinnerung an das, was zu den Notizen an kontextuellem Wissen gehört. Genau dieses Wissen in der Welt fehlt mir, wenn ich das gleiche mit digitalen Werkzeugen versuche. Digitale Notizbücher, Projekt-Tools und alles andere funktioniert bei weitem kontextärmer, als es physische Notizen tun. Nichts desto trotz versuche ich auch hier mit den Möglichkeiten der Moderne zu arbeiten.
Aktuell mache ich beispielsweise gute Erfahrungen mit einem sogenannten Convertible - einem Laptop, der sich in ein Tablet "verwandeln" lässt. Dies ermöglicht andere Formen der digitalen Notizen - ähnlich einem physischen Notizbuch. Mal sehen wie das läuft.
Wissen in der Welt
Aber Wissen in der Welt ist vor allem eines - ein guter Weg es den Menschen leicht zu machen die Welt zu verstehen und sie zu nutzen. Mit verstehen meine ich jetzt nicht zu verstehen, wieso Corona existiert - oder wieso die Lichtgeschwindigkeit genau den Wert hat, den sie hat. Mit verstehen meine ich "sich in der Welt (künstlich und natürlich) zurecht zu finden.
Natürliches Mapping
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Einen Gasherd mit vier Flammen.
Man kann nun die Steuerelemente in einer Linie an der unteren Kante anbringen. Hier ergibt sich das Problem, dass die Zuordnung von Knopf zu Flamme nicht eindeutig und intuitiv ist. Man kann die Knöpfe auch analog zur Anordnung der Flammen anordnen. Dies macht die Welt (in dem Fall den Herd) intuitiv "verstehbar". Es gibt ein eindeutiges "Mapping" zwischen der Welt und dem, was man machen will.
Unnatürliches Mapping
Ähnlich - und hier gibt es ein schönes Beispiel aus unserem Haus - kann man Lichtschalter anbringen, wenn man mehrere Lichter bedienbar machen will. Bei uns im Haus gibt es einen Flur mit Treppenaufgang. Von dort führt auch die Treppe in den Keller. In jedem Stockwerk gibt es ein Licht. Die Lampen werden über eine 3er-Schalterleiste neben der Tür bedient. Als wir eingezogen sind habe ich regelmäßig das Kellerlicht angemacht, weil der Mittlere Schalter das Licht im Keller schaltet, der unterste hingegen das Licht im Erdgeschoss.
In meiner Welt passt das eigentlich nicht. Eigentlich sollte, meiner Meinung nach, der unterste Schalter auch das unterste Stockwerk schalten. Und so weiter. Inzwischen - nach fast 12 Jahren habe ich mich daran gewöhnt - und bin auch ehrlich gesagt zu faul mich nochmal umzugewöhnen. Es ist nur immer so, dass ich daran denken muss das Kellerlicht abends auszumachen, wenn wir Besuch haben. Dann passiert es nämlich regelmäßig, dass es an ist, weil jemand die Schalter verwechselt hat.
Mentale Modelle
Wissen in der Welt dient also dazu sich möglichst einfach zurecht zu finden. Achtet mal darauf, wie oft das Design von Gegenständen nicht mit dem mentalen Modell der Welt dort draußen übereinstimmt. Mit dem Modell, dass sich vermutlich die meisten Menschen so machen.
Aber noch etwas ist spannend. Achtet mal darauf, wie oft Euer mentales Modell nicht mit dem anderer Personen übereinstimmt. Wie oft ihr EEuch (oder andere) dabei erwischt, die doch total bescheuert sind - so kann doch niemand denken.
Schaut Euch mal um, wenn ihr bei Freunden seid und gemeinsam kocht. Wo sind Teller, Tassen, Pfannen, Töpfe? Wo ist das Besteck - und wie ist die Besteckschublade sortiert?
Mentale Modelle sind oft eine Frage der Erziehung, der Gewohnheit und der Erfahrungen. Diese sind von Mensch zu Mensch immer verschieden.