Insignien der Ökoreligion



Religiöse Strukturen finden sich in viele Bereichen des Alltags. Meiner Erfahrung nach verhindern sie oft eine rationale Auseinandersetzung. Und Fortschritt, der auf Fakten basiert. Meist dienen sie dem Neusprech, um 'des Pudels Kern' zu verschleiern.

Auch wenn es mir viel zu oft nicht gelingt, so versuche ich frei von den Fesseln (pseudo-)religiöser Ideologien zu denken, um Fragen zu stellen, die mich selbst (und vielleicht ein paar andere) weiter bringen. Wenn es eine Ideologie gibt, der ich möglicherweise folge, so der Ideologie des Zweifels und des Misstrauens.

Das klingt vielleicht negativ, doch betrachte ich meinen misstrauischen Blick auf die Dinge, die mir serviert werden, als eine meiner besten Eigenschaften. Leider bin ich (in diesem Punkt) nicht Spock, so dass trotzdem viel zu oft dem Sirenengesang ideologischer PR unterliege. Mein Mast ist hier (glücklicherweise) meine bessere Hälfte.

Doch zum Thema:

"Der Mensch hat zwei Beine und zwei Überzeugungen: eine, wenn's ihm gut geht und eine, wenn's ihm schlecht geht. Die letzte heißt Religion." Kurt Tucholsky

In der heutigen Zeit sollte man das Zitat von Tucholsky abwandeln:

"Der Mensch hat zwei Beine und zwei Überzeugungen: eine, wenn's ihm gut geht und eine, wenn's ihm schlecht geht. Die erstere heißt Öko-Bewusstsein."

Die Ökoreligion

Die von mir so genannte Ökoreligion entwickelte sich massentauglich seit den 1980er Jahren. Ich erinnere mich an Berichte aus meiner Kindheit über die ersten Proteste (beispielsweise) gegen Wackersdorf. Ich erinnere mich an die ersten Anti-Atomkraft-Kampagnen. An “Rettet die Wälder” oder an Kampagnen gegen die Abschlachtung der Seehunde, der Tiger, der Elefanten und sonstiger liebenswerter Tiere.

Und in all dem steckt unendlich viel traurige Wahrheit. Wir vernichten in einer atemberaubenden Art und Weise Gattungen, und Rassen. Unsere roten Listen könnten so viel länger sein, würden wir viele dieser Gattungen überhaupt erst einmal kennenlernen, bevor wir sie in die ewigen Jagdgründe schicken. Als Kind und Jugendlicher habe ich selbst Unterschriften und Spendengelder gesammelt für entsprechende Kampagnen.

Nun gibt es meines Erachtens kaum berechtigte Zweifel, trotz methodischer und ideologischer Fehler einiger Klimaforscher, dass der Klimawandel Realität ist. Für mich gehört der Klimawandel aufgrund der Daten, die ich bislang kenne, zu den Dingen, die mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit eintreten werden.

Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass ich beispielsweise glaube, die vorgeschlagenen Lösungen führen nicht zum gewünschten Ziel die Erwärmung auf 2° Celsius zu begrenzen. Eher im Gegenteil. Oder gar, ob das ausgegebene Ziel von 2° tatsächlich sinnvoll oder ausreichend ist. Zu letzterem weiß ich bislang zu wenig, um mir sinnvoll eine Meinung zu bilden.

Versuche ich über Windkraft, Solarstrom, Atomkraft und andere Formen der Energieerzeugung mit meinen Mitmenschen zu diskutieren, fühle ich mich oft an meine Jugend-Erfahrung mit einer bestimmten Sorte von Christen erinnert. Die Struktur der “Argumente” ähnelt sich frappierend{:target="_blank"} in der starken Ablehnung unliebsamer Fakten. Ebenso fehlt oft die Fähigkeit über die Vorgaben der “Religionsführer” hinaus eigenständig zu denken. Oder diese gar zu hinterfragen.

Atomkraft ist böse, Windkraft ist gut. Ein hoher Biospritanteil senkt den CO2-Ausstoß unserer Fahrzeuge und so weiter. In etwa dieser Form lassen sich viele der Diskussionen der vergangenen Monate zusammenfassen. Ich sehe den “Atomkraft Nein Danke”-Aufkleber und denke an Kreuz, Halbmond oder Davidstern. Ich sehe Ökosiegel, zertifiziertes Papier, Nachhaltigkeitszertifikate für Fischfang/Aquafarming und sonstwas und denke Ablasshandel{:target="_blank"}.

Insignien einer modernen Religion

"Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht." Albert Schweitzer

An den Kopf musste ich mir fassen{:target="_blank"}, als der WWF zusammen mit einer PR-Agentur ein neues Dateiformat{:target="_blank"} einführte. Es handelte sich dabei eigentlich nur um das pdf-Format, dem die Fähigkeit genommen wurde, dass man es drucken kann. Somit sollte Aufmerksamkeit auf die Papierverschwendung gelenkt werden.

Eigentlich ein legitimes Ziel – doch mal ehrlich. Ein Dateiformat, dass keine Sau nutzen wird, für teuer Geld entwickeln lassen; eine Kampagne (für teuer Geld) auflegen und somit (in meinen Augen) Spendengelder in die Tonne treten. OK, immerhin konsequent, wenn Spendengelder “recycled” werden. Ansonsten eine Wohlfühl-Kampagne für die spendenbereite, wohlhabendere Ökozielgruppe.

Dann gehe ich durch den Supermarkt, sehe gefühlt 400 verschiedene Öko- und Nachhaltigkeitssiegel und stelle fest, dass es eigentlich nur eine handvoll gibt, die sinnvoll sind. Daneben eine Masse an Symbolen, die von der Industrie gesponsert werden, die mit groß-tönenden Selbstverpflichtungen initiiert wurden und die leider einer Überprüfung kaum standhalten.

Sorry, aber jeder Bericht, den ich über Umweltzerstörung in der südlichen Welt gelesen, gesehen und nachrecherchiert hatte in den letzten Monaten hatte als Ursache Industriekonzerne. Und die waren erstens, mit entsprechenden Nachhaltigkeitssiegeln zertifiziert. Und zweitens haben sie fast immer gegen die Vorschriften dieser Siegel verstoßen. Passiert ist nichts, das Siegel tragen die Produkte immer noch.

Und wieso? Weil die “Herausgeber” solcher Siegel oftmals selbst zugeben müssen, dass sie die Einhaltung gar nicht kontrollieren können. Oder, dass die Überwachung der Einhaltung bei den Unternehmen liegt, die mit den Siegeln werben. Diese haben aber ein Interesse an möglichst hohen Gewinnmargen. Den Bock zum Gärtner machen in Reinkultur.
Doch was bewirken diese Siegel bei uns? Viele Menschen, mit denen ich in der letzter Zeit gesprochen habe, finden diese Siegel gut. Sie sagen, dass sie lieber Produkte kaufen, die nachhaltig produziert werden und verlassen sich dabei auf diese Siegel.

Und Deine (Umwelt-)Sünden seien Dir vergeben. Nachfragen, ob die Siegel wirklich sinnvoll sind – wozu, wird schon stimmen. Dafür ist man gerne bereit ein paar Cent mehr zu bezahlen. Joghurtbecher aus Pflanzen-Rohstoffen sind doch toll. Sie zerfallen auf der Müllkippe und im Gegensatz zu ihren Plastik-Brüdern basieren sie nicht auf Erdöl. Super umweltfreundlich, oder?

Mal im ernst. Klar, was den Zerfall betrifft, sind die Dinger wirklich toll. Da wird die Umwelt deutlich weniger belastet, als beispielsweise mit unkaputtbarem Plastik. D’accord. Nur, wie werden die Rohstoffe für solche Becher eigentlich produziert? Monokultur, Massenplantagen, gentechnisch veränderte Rohstoffpflanzen (die man mit Pestiziden bespritzen kann, bis der Boden drum rum tot ist) und vor allem Flächennutzung landwirtschaftlicher Flächen, die in den Anbauländern verloren gehen und die lokale Bevölkerung nicht mehr ernähren können.

Wenn jetzt (am Beispiel von E10) sogar schon die Umweltschutzorganisationen ein Verbot fordern{:target="_blank"}, weil dies die Nahrungsmittelpreise (aufgrund der akuten Dürre in den USA) hochtreibt, dann weiß man um den Sinn solcher Ideen.

Außerdem werden für solche Plantagen gerne auch mal sekundäre Urwälder gerodet, denn Sekundärwald ist ja nicht so schützenswert wie Regenwald. Ach, dass der Wald schon 30 Jahre alt ist, auf ehemaligen Regenwaldflächen steht, voller Leben ist und ein (fast) perfekter Ersatz für ursprünglichen Urwald ist, spielt dabei ja keine Rolle.

Dass die Gewinne bei wenigen Großkonzernen landen, dass es durch die (gerne auch mal) Brand-Rohdungen zu CO2-Ausstoß vor dem Herren kommt, dass hier große Landmassen verkauft werden und so der lokalen Bevölkerung entrissen werden (inklusive gewalttätiger Vertreibungsaktionen) – all das spielt für das Gewissen der Käufer keine Rolle. Vom Transport der Rohstoffe um die halbe Welt mal ganz abgesehen.

Im Namen des Christengottes wurde in Kreuzzügen und in Christianisierungswellen riesige Ländereien in den Schoß der Kirche gespühlt. Heute wird im Namen der Ökogötter moderne, konzerngesteuerte Kolonialpolitik betrieben. Auf Kosten der Menschen in der südlichen Erdhälfte.

Zum Nutzen einiger weniger Großkonzerne – und zum Nutzen unserer Politiker, die sich für ihre Wiederwahl gerne mal nen grünen Anstrich verpassen. Unser CO2-Ausstoss wird gesenkt – und in der Südhemisphäre werden diese Emissionen eben erzeugt. Eine Externalisierung des Problems.

Wie heißt es so schön? Aus den Augen, aus dem Sinn.

"Ärgert dich dein Auge, so reiß es aus, ärgert dich deine Hand, so hau sie ab, ärgert dich deine Zunge, so schneide sie ab, und ärgert dich deine Vernunft, so werde umweltbewusst." Frei nach: Heinrich Heine